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Im Bann des Mittelalters

Rezension in der Badischen Zeitung ,

Der Sänger, Forscher und Harfenist Benjamin Bagby wird in Basel geehrt
von Simon Bordier 

Benjamin Bagby hat zu oft über die Launen der Schicksalsgöttin Fortuna gesungen, als dass er seine eigenen Erfolge an die grosse Glocke hängen würde. Mit einem Lächeln erinnert sich der Sänger und Harfenist an seinen grössten Verkaufsschlager, eine CD mit Gesängen der Mystikerin Hildegard von Bingen (1098–1179). Klar, man habe weltweit über eine Million Exemplare davon verkauft, meint er im BaZ-Gespräch. «Aber ich befürchte, das hatte weniger mit wachsendem Interesse an Gregorianik als mit geschicktem Marketing zu tun.» 

Der Sänger, Forscher und Harfenist Benjamin Bagby wird in Basel geehrt

Benjamin Bagby hat zu oft über die Launen der Schicksalsgöttin Fortuna gesungen, als dass er seine eigenen Erfolge an die grosse Glocke hängen würde. Mit einem Lächeln erinnert sich der Sänger und Harfenist an seinen grössten Verkaufsschlager, eine CD mit Gesängen der Mystikerin Hildegard von Bingen (1098–1179). Klar, man habe weltweit über eine Million Exemplare davon verkauft, meint er im BaZ-Gespräch. «Aber ich befürchte, das hatte weniger mit wachsendem Interesse an Gregorianik als mit geschicktem Marketing zu tun.» Die CD mit dem Titel «Canticles of Ecstasy» habe Anfang der 1990er-Jahre schlicht den Nerv der New-Age-Bewegung und ihrer esoterisch angehauchten Anhängerschaft getroffen.
Bagby selbst liegt Esoterik ziemlich fern, wie man am Freitag in der Predigerkirche Basel hören konnte. Bei dem Konzert der Freunde alter Musik Basel gab der 67-Jährige mit seinem Ensemble Sequentia «mittelalterliche Lieder von Helden, Göttern und starken Frauen» zum Besten. Das Trio – bestehend aus Bagby, Hanna Marti (Gesang und Harfe) und Norbert Rodenkirchen (Knochen- und Holzflöten) – entwickelte einen starken melodischen Bann. Mindestens so eindrücklich waren aber die gesungenen Texte: Die Kombination von christlichen und heidnischen Inhalten, von griechischen Göttern, Kraut und Rüben wirkte beinahe dadaistisch.

Preis für die Forschung
Den Rema Early Music Artist Award hätte Bagby als Esoteriker wohl auch gar nicht bekommen. Dieser wurde ihm im Anschluss an das Konzert für seine Verdienste mit dem 1977 gegründeten Ensemble und seine Forschung in mittelalterlicher Lyrik vergeben. Hinter dem Preis steckt Rema: ein europäisches Netzwerk für Alte Musik mit Sitz in Frankreich, dem gut 70 Institutionen aus 21 Ländern angehören. Die ersten Awards vergab Rema 2015 an die Schola Cantorum Basiliensis und das Hilliard Ensemble. Nebst Bagby wurde diesmal die digitale Forschungsplattform Early Music Sources.com von Elam Rotem und Jörg-Andreas Bötticher (auch bekannt als Cembalist der Schola Cantorum) ausgezeichnet.

Pionierarbeit geleistet
Bagby kam Mitte der 70er-Jahre aus den USA fürs Studium an die Basler Forschungs- und Lehrstätte: «Wer sich für Alte Musik interessierte, für den gab es nichts Grösseres als die Schola.» Es herrschte Aufbruchstimmung in einem Bereich, für den sich damals nur Exoten interessierten. Und so fing auch Sequentia als Studentengruppe an. Den Kern bildeten Bagby und seine Mitstudentin, Sängerin und Lebensgefährtin Barbara Thornton. Sie gingen nach dem Studium nach Köln. Der Anfang war abenteuerlich, doch dann gelangen in Kooperation mit dem Westdeutschen Rundfunk erste wichtige Aufnahmen. Seitdem hat das Ensemble mal in kleinerer, mal grösserer Besetzung Pionierarbeit geleistet.
Nebst einem grossen Zyklus mit Liedern von Bingens hat sich das Ensemble insbesondere um die historische Rekonstruktion des «Beowulf»-Epos verdient gemacht. Ein tiefer Einschnitt erfolgte dann im Jahr 1998 mit dem frühen Tod von Sequentia-Mitbegründerin Barbara Thornton. Heute ist Bagbys Hauptwirkungsstätte an der Universität Sorbonne in Paris.
«Der Rema-Award freut mich besonders, weil die Musik des Mittelalters oft im Schatten des Barocks steht», meint der Preisträger. Sonderlich zu beunruhigen scheint ihn dies aber nicht. Ihm sei klar, dass die Welt des Mittelalters eine völlig andere sei als die, in der wir heute lebten. Und doch könne man Bezüge herstellen. So beschäftige sich Benjamin Bagby zurzeit mit dem satirischen «Roman de Fauvel». Darin steht ein Mischwesen, ein Pferd oder ein Esel, im Mittelpunkt, das alle denkbar schlechten Eigenschaften in sich vereinigt – und an die Macht kommt. «Der Aktualitätsbezug ergibt sich fast von selbst», sagt Bagby.

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Die heidnischen Gesänge der Mönche

Rezension in der Basellandschaftlichen Zeitung ,

Alte Musik Ein Musiker, der dem Mittelalter eine Stimme gibt: Benjamin Bagby, der Amerikaner mit Basel-Bezug
von: Nikolaus Broda

Sooo weit weg ist das Mittelalter. Mindestens so weit, wie der legendäre Planet Coruscant aus dem Star-Wars-Epos. Oder der Holzstich der flachen Erdscheibe, an dessen Rand ein Wanderer ins Universum guckt. Solche Bilder haben unsere Vorstellungen vom Mittelalter – von knapp 1000 Jahren – geprägt. Und nicht nur die.

Alte Musik Ein Musiker, der dem Mittelalter eine Stimme gibt: Benjamin Bagby, der Amerikaner mit Basel-Bezug

Sooo weit weg ist das Mittelalter. Mindestens so weit, wie der legendäre Planet Coruscant aus dem Star-Wars-Epos. Oder der Holzstich der flachen Erdscheibe, an dessen Rand ein Wanderer ins Universum guckt. Solche Bilder haben unsere Vorstellungen vom Mittelalter – von knapp 1000 Jahren – geprägt. Und nicht nur die.
Hautnah erleben und schmecken und hören können wir das Mittelalter zumindest in der warmen Jahreszeit beinahe jedes Wochenende. Überall dort, wo Mittelaltermärkte Pilz spielen und ungefragt aus dem Boden schiessen. Das Eine hat so wenig mit dem Mittelalter zu tun, wie das Andere, kommt aber an – auch wenn diese Zeit vielleicht gar nicht interessiert, Hauptsache, wir schaffen’s mit dem Auto zum Event ...

Seit der Kindheit fasziniert
Aber: Da gibt’s diejenigen, die sich mit der Epoche auseinandersetzen – nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch. Und was die tun, das kommt eben auch an. Wie zum Beispiel Konzerte von und mit Benjamin Bagby. Der sitzt schon als 10-jähriger in seinem Bett in Evanston Illinois und liest den altenglischen Epos «Beowulf» auf Spätwestsächsisch. Das gibt’s wirklich.
Bagby macht noch heute Aufführungen in dieser Sprache und hat damit auf der ganzen Welt Erfolg. Aber der junge Benjamin liest nicht nur, er singt auch, er lernt Harfe, beschäftigt sich zusehends mit dieser Epoche, mit dem Leben, der Sprache, der Musik und ist von diesem Mittelalter immer stärker fasziniert.
Nach ersten Studien in den USA kommt der junge Mann in die Schweiz, nach Basel. Die Schola Cantorum, die Kaderschmiede für Alte Musik, versorgt ihn weiter mit dem Elixier Mittelalter. 1977, zum Abschluss seiner Studien, gründet er in Basel das Ensemble Sequentia mit seiner Kollegin und langjährigen Partnerin, Barbara Thornton. Und diese Mittelalterband hat vom ersten Konzert an unglaublichen Erfolg. Die Musiker sprechen die Zuhörer an, und das nicht nur wegen der seltsamen Instrumente, die sie spielen.
Mittlerweile ist das alles gar nicht mehr so seltsam, auch die Musik, hat sich herumgesprochen, tut nicht weh, und inzwischen sind viele verschiedene Aufnahmen mit Sequentia entstanden. Geistliche Musik aus Klöstern zum Beispiel, oder eine komplette Aufnahme der Werke von Hildegard von Bingen, die nicht nur eine Drogerie betrieben hat.
Ein weiteres Thema, das Sequentia am Freitag, 17. März, in der Predigerkirche in Basel in einem Konzert behandeln wird, ist «Monks Singing Pagans», so heisst das Jubiläums-Programm zu 40 Jahre Sequentia. Das bedeutet übersetzt in etwa, Mönche singen Heidnisches: Lieder von Göttern, Helden und starken Frauen. Wir erfahren: In den Klöstern wurde nicht nur die Bibel gelesen. Musik aus zirka 300 Jahren hören wir. Da gibt’s Verschiedenstes. Texte die von Odin und Christus erzählen, von Orpheus und dem Held Herkules. Oder Geschichten über Königin Kleopatra und die darbende Dido.

Ehrung für den Meister
Und nach dem Schlussapplaus darf nicht gleich der Mantel von der Garderobe geholt werden, denn dann bekommt Bagby für sein Lebenswerk einen kleinen, feinen Preis. Ihm wurde der Rema Early Music Award verliehen, ein Preis der vom Netzwerk für Alte Musik (Réseau Européen de Musique Ancienne) vergeben wird. Die sehr ansprechende und informative Dankesrede von Bagby ist bereits im weiten weltlichen Netz zu sehen und zu hören: vimeo.com/194966339 – da erzählt der Grandseigneur der ganz Alten Musik seine Sicht der Dinge, und wir merken, dass das Mittelalter sooo weit weg vielleicht doch gar nicht ist.

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Bei „Partita 2“ kreiseln die Tänzer im Turnhallenflair

Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung ,

Mo, 27. Februar 2017
von: Michael Baas

Anna Teresa De Keersmaeker und Boris Charmatz mit ihrer Choreografie auf Bachs „Partita 2“ in der Kaserne Basel.

Die Choreografie beginnt im tiefen Dunkel mit Livemusik. Solo spielt die Violinistin Amandine Beyer in der pechschwarzen Reithalle der Kaserne Basel Johann Sebastian Bachs „Partita 2 d-Moll“, eine der vielen laut Rezeptionsgeschichte streng mathematisch strukturierten Kompositionen des Barock-Komponisten. Die naturtrüben Tonfarben der historischen Aufführungspraxis, der sich die Französin verschrieben hat, deuten indes schon an, dass das fünfsätzige an klassischen Tanzreihen orientierte Werk durchaus Unberechenbares in sich trägt. Nach gefühlten 15 Minuten verlässt Beyer mit klackerndem Schritt die immer noch stockfinstere Spielfläche und die „Partita 2“ bleibt als Echo, als Projektionsfläche stehen – „der Barock“ ein schwarzes Loch sozusagen.

Mo, 27. Februar 2017
von: Michael Baas

Anna Teresa De Keersmaeker und Boris Charmatz mit ihrer Choreografie auf Bachs „Partita 2“ in der Kaserne Basel.

Die Choreografie beginnt im tiefen Dunkel mit Livemusik. Solo spielt die Violinistin Amandine Beyer in der pechschwarzen Reithalle der Kaserne Basel Johann Sebastian Bachs „Partita 2 d-Moll“, eine der vielen laut Rezeptionsgeschichte streng mathematisch strukturierten Kompositionen des Barock-Komponisten. Die naturtrüben Tonfarben der historischen Aufführungspraxis, der sich die Französin verschrieben hat, deuten indes schon an, dass das fünfsätzige an klassischen Tanzreihen orientierte Werk durchaus Unberechenbares in sich trägt. Nach gefühlten 15 Minuten verlässt Beyer mit klackerndem Schritt die immer noch stockfinstere Spielfläche und die „Partita 2“ bleibt als Echo, als Projektionsfläche stehen – „der Barock“ ein schwarzes Loch sozusagen.

Plötzlich zerschneidet ein kegelförmiger Lichtstrahl vom Rand dieses Dunkelfeld. In der Stille und im diffusen Zwielicht links und rechts des schmalen Spots tauchen Anne Teresa De Keersmaeker und Boris Charmatz auf. Die 56-jährige Belgierin, eine Koryphäe des zeitgenössischen Tanzes und auf fast allen großen europäischen Festivals anzutreffen, sowie der 44-jährige Franzose haben Bachs Werk mit Beyer als Dritter im Bunde in einem zweijährigen Arbeitsprozess in ein zeitgenössisches Tanzstück transferiert. Uraufgeführt wurde das bereits 2013 und war damals unter anderen beim Berliner Tanzfestival „Foreign Affairs“ zu sehen.

Schemenhaft wie Figuren eines Scherenschnitts huschen Tänzerin und Tänzer nun über die spartanisch leere Spielfläche. Gleichsam unter der Glocke der nur als Erinnerung präsenten Musik ziehen sie tonlos ihre Bahnen entlang mit Kreide auf dem Boden angedeuteter Kreise. Sie schreiten. Sie laufen. Sie rennen. Sie hüpfen. Sie drehen sich um die eigene Achse. Sie probieren sich aus. Sie wiederholen, akkumulieren und kombinieren, paraphrasieren und konterkarieren ihre Bewegungen. Die zierliche, kleine Frau und der fast zwei Köpfe größere, schlaksige Mann kommen sich näher, werden sich in virtuosen Bewegungen gar gegenseitig zum Schatten. Mal bewegen sie sich synchron, mal asynchron. Aber immer antizipieren sie ihre Körperlichkeit, kreieren Körperbilder und einen auf Korrespondenzen beruhenden Bewegungsfluss: Sie schultert ihn, er wirbelt sie.

Es ist eine durchaus an Gymnastik erinnernde Tanzsprache. Das Turnhallenflair, die durch kaltes Neonlicht ergänzte Beleuchtung und das Outfit, die blauen und roten Turnschuhe, Charmatz’ Trainingsjacke und De Keersmaekers legeres schwarzes Kleid unterstreichen dieses sportliche Element noch. Das höfische bis ins Detail festgelegte und in Bachs Musik eingeflossene Barock-Zeremoniell gerät so jedenfalls zum Rohstoff einer vom neuen Körperbewusstsein der Lifestyle-Gesellschaft getränkten Übungseinheit, die mit der Zeit indes etwas zähflüssig gerät.

Der dritte Block verbindet Alte Musik und Neuen Tanz unmittelbar. Während Amandine Beyer im Zentrum der sich überschneidenden Kreise die „Partita 2“ spielt, die schwerblütige Sarabande mit den kreisenden Figuren oder die pulsierende Giga, nehmen De Keersmaeker und Charmatz zuvor entwickelte Motive und Bilder wieder auf, variieren sie, passen sie an an Bachs Musik, und übersetzen diese auch mal humorvoll in eine Bewegungssprache des 21. Jahrhunderts. In der abschließenden Chaconne steigert das Duo das in einen Rausch geteilter Bewegungen, die in dem Spannungsfeld der gefälligen Musik und des kalten, leeren Neonambientes eine irritierende Wirkung entfalten. Ein choreografisches Kleinod, das schon Beobachter der Aufführung in Berlin zum Ereignis erklärten. Das Basler Publikum sah das vom Beifall her zu schließen ebenso.

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So virtuos wie Paganini

Rezension in der Basellandschaftlichen Zeitung ,

Konzert Paolo Pandolfo und das Vokalensemble La Pedrina begeistern bei den Freunden Alter Musik Basel
von Jenny Berg

Es ist voll in der Predigerkirche, wie so oft, wenn die Freunde Alter Musik zum Konzert laden. Doch diesmal ist es besonders aussichtslos, einen Platz im Hauptschiff zu ergattern: Nicht nur, weil mit Paolo Pandolfo der derzeit innovativste Gambist auf dem Podium steht, sondern auch, weil zahlreiche Forschende und Alte- Musik-Fans aus aller Welt in dieser Woche nach Basel gekommen sind. Denn die Schola Cantorum hat wieder einmal ein attraktives Päckchen geschnürt für all jene, die die neuesten Forschungserkenntnisse aus der historisch informierten Aufführungspraxis aus erster Hand erfahren wollten.

Konzert Paolo Pandolfo und das Vokalensemble La Pedrina begeistern bei den Freunden Alter Musik Basel
von Jenny Berg

Es ist voll in der Predigerkirche, wie so oft, wenn die Freunde Alter Musik zum Konzert laden. Doch diesmal ist es besonders aussichtslos, einen Platz im Hauptschiff zu ergattern: Nicht nur, weil mit Paolo Pandolfo der derzeit innovativste Gambist auf dem Podium steht, sondern auch, weil zahlreiche Forschende und Alte- Musik-Fans aus aller Welt in dieser Woche nach Basel gekommen sind. Denn die Schola Cantorum hat wieder einmal ein attraktives Päckchen geschnürt für all jene, die die neuesten Forschungserkenntnisse aus der historisch informierten Aufführungspraxis aus erster Hand erfahren wollten.
Aber der Reihe nach: Die Musikwoche beginnt am Mittwoch mit einem Studientag zur Viola bastarda. Über 120 Interessierte folgen im Zunftsaal des Schmiedenhofs den Vorträgen der Forscherinnen und Musiker. Noch weiss niemand ganz genau, wie die Viola bastarda im Italien des 16. und 17. Jahrhunderts wirklich ausgesehen hat; ob es sich dabei eher um eine kleinere, oder gar eine grössere Viola da Gamba handelt. Denn die Viola bastarda spielt im Ensemble virtuose Verzierungen, die durch alle anderen Melodielinien hindurchwandern – vom tiefen Bass bis zum hohen Diskant. Letzteres wäre auf einem kleineren Instrument einfacher, Ersteres auf einem Grösseren.
Die Schola Cantorum setzt in ihrem Forschungsprojekt nun auf einen Kompromiss, und wie dieser erste Nachbau klingt, kann man nicht nur am Studientag, sondern auch beim Konzert am Freitagabend bei den Freunden Alter Musik hören.

Athletische Verzierungen
Gleich das erste Stück, eine Toccata von Francesco Bassani, spielt Paolo Pandolfo auf diesem neuen Instrument. Hell klingt es, tragend und sonor. Doch die mehr als 300 Jahre alte Viola da Gamba, auf die Pandolfo im Anschluss wechselt, hat einen weitaus grösseren Charme. Weich und strahlend zugleich, durchdringend bis zum leisesten Pianissimo, füllt sie den gesamten Raum der vollbesetzten Predigerkirche.
Die athletischen Verzierungen der Viola bastarda-Diminutionen, die mit halsbrecherisch schnellen Läufen die Melodien der damaligen Hits auffüllt, bereiten Pandolfo keine Mühe – vielmehr ist er einer der wenigen Interpreten, der ihnen in all dem Notengetümmel eine Struktur zu geben vermag. Die Melodielinien sind stets klar – was auch der schlüssigen Konzertdramaturgie zu verdanken ist. Da die Musik für Viola bastarda auf vokalen Vorlagen beruht, werden sie hier stets vor der instrumentalen Version gesungen – wunderbar klar und homogen vom Ensemble La Pedrina. Lebendig und sehr textbezogen erzählen sie singend von den süssen Erinnerungen in Pierre Sandrins «Doulce memoire», von der Anbahnung eines Liebesspiels in Thomas Crecquillons «Ung gay berger».
Und um die Akustik der Kirche voll auszukosten, positionieren sich die Sänger stets an anderen Stellen: Im geheimnisvoll dunklen Chor, auf der Orgelempore, und mitten zwischen den Zuhörenden. Und dass Paolo Pandolfo manche Stücke an diesem Abend frei improvisiert, das kann man nur auf Nachfrage herausfinden – so echt klingen seine eigenen Improvisationen, so frei sein Spiel ab Noten.

Ein neues altes Instrument
Tags darauf geht es für die Forscher und Musikfans weiter im dreitägigen Symposium «Stimme – Instrument – Vokalität », das sich der menschlichen Stimme als stetes Vorbild für die Instrumentalmusik aller Stile und Jahrhunderte widmet. Hier sind unter anderem die ersten Töne eines exklusiven neuen Nachbaus zu erleben: des Arciorganos, einer enharmonischen Orgel mit 36 Tasten pro Oktave (statt der normalen zwölf ). Damit hat sich die Schola Cantorum Basiliensis in diesen Tagen nicht nur als erstklassige Ausbildungs- und Lehrstätte hervorragender Musiker bewiesen, nicht nur als innovatives und vielseitiges Forschungsinstitut, das neben dem Quellenstudium auch Instrumente nachbaut, sondern auch als exzellenter Veranstalter präsentiert, dessen international anerkannter Ruf auch das heimische Publikum anzuziehen vermag.

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Weihnachten mit Hüftschwung

Rezension in der Basellandschaftlichen Zeitung ,

Das Ensemble Ars Longa spielte in Basel weihnachtliche Stücke mit kubanischem Einschlag
von Anja Wernicke

Alle Jahre wieder dürfen wir auf den Konzertbühnen erfahren, auf welch unterschiedliche Weisen in den verschiedenen christlich geprägten Ecken unserer Welt Weihnachten begangen wird. Dass es dabei an einigen Orten lebhafter zugeht als im mitteleuropäischen Raum, ist bekannt. Wie anmutige Renaissancemusik aus dem 17. Jahrhundert mit dem lateinamerikanischen Hüftschwung zusammengeht, liess sich am dritten Abokonzert der Freunde Alter Musik Basel in der Predigerkirche erleben.
Das Ensemble Ars Longa war vor 17 Jahren das erste in Kuba, das sich im Sinne der historisch informierten Aufführungspraxis der Alten Musik widmete. Unter der Leitung der Sopranistin Teresa Paz stehen besonders Komponisten im Fokus, die in Lateinamerika gewirkt haben. Zum Beispiel Gaspar Fernández (ca. 1565 vermutlich in Guatemala geboren, 1629 in Puebla gestorben) und Juan Gutiérrez de Padilla (ca. 1590–1664), der aus Málaga stammte. Beide waren Kapellmeister an der Kathedrale de los Ángeles in Puebla im heutigen Mexiko, zur Kolonialzeit Neu- Spanien genannt.

Bemerkenswerte Sammlung
Bemerkenswert ist die Sammlung von 300 mehrstimmigen Stücken, die zwischen 1609 und 1616 an der Kathedrale entstanden, als Fernandez dort wirkte. Sie zeugen von einem vielfältigen musikalischen Schaffen, das nicht nur von der europäischen Musiziertradition beeinflusst wurde, sondern auch von lokalen Stilen. Teresa Paz, die mit ihrem Ensemble bereits an zahlreichen Festivals in Europa aufgetreten ist, verrät in einem Interview, dass sie besonders Freude hat, diese polyphone Musik, die vor 500 Jahren nach Südamerika kam, nun mit kubanischem Flair nach Europa zurückzubringen. Und dieses Lokalkolorit schlug sich beim Auftritt von Ars Longa in Basel vor allem darin nieder, wie die Sänger (Sopran, Mezzo, Alt und Bariton) und Musikerinnen (Bläser, Gamben, Gitarre und Orgel) auftraten, nämlich mit einer überraschenden Lebendigkeit und tänzerischer Spannung. Homogen im Zusammenspiel liessen sie jederzeit einen schwingenden Puls spüren, der die weichen Stimmen und Klangfarben der Bläser wie auf einer Welle zu tragen schien.

Oft wiederholte Stellen, die schnell ermüden können, blieben hier stets frisch und lebendig.
Mit grosser Musikalität boten die Sänger die Weihnachtslieder mit einem stark erzählenden Duktus dar, der jederzeit mit reichen Gesten, anmutigen Tanzschritten und sanftmütig darstellerischer Spannung herübergebracht wurde. Gern hätte man die Texte auf einem Programmzettel verfolgt. Die rezitativ-artigen Stellen, die in manchen Aufführungen dieser Musik wegen ihrem wiederholenden Charakter schnell ermüden können, blieben hier stets frisch und lebendig.
Gegen Ende des Konzerts forderten die beiden Sängerinnen gar das Publikum bei dem Lied «Ah, negrito de Cucurumbé » von Fernandez zum Paartanz auf. Zugegeben: Dabei hatten sie es mit dem mitteleuropäischen Temperament etwas schwer.
Die Zugabe «Sa aqui turo zente pleta» von einem anonymen Autor aus Portugal war dann schon fast ein kleines Theaterstück, in dem die Musiker immer wieder in eine Art Rausch zu verfielen schienen. Weihnachten mit Latino- Hüftschwung: An Heiligabend lässt sich das Konzert auf Radio SRF 2 Kultur nachhören.

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