John Lydgates Traumvision The Temple of Glas (Der Glastempel) aus dem frühen 14. Jahrhundert beginnt damit, dass der Träumende von einer strahlenden, kristallenen Struktur inmitten einer dunklen Wildnis überwältigt wird. Als er eintritt, erspäht er im Beisein von Venus und weiteren Göttern eine schöne Dame. Sie gesteht ihre Liebe zu einem Mann, mit dem sie nicht zusammen sein kann. Venus sagt ihr Hilfe zu, sollte sich die Dame als standhaft erweisen. Während der Träumende benommen den Tempel verlässt, begegnet er jenem Mann, der tatsächlich schon vom schieren Anblick der Dame im Innern ergriffen ist. Verliebt bringt er Venus seine Klage vor, dass sie ihn verzaubert habe und fleht sie an, die Leidenschaft für ihn im Herz der Dame zu entfachen. Auf ihren Rat hin betritt der Mann den Tempel, um mit seiner Geliebten zu sprechen. In einer geheimen, ausserehelichen Hochzeitszeremonie werden die Herzen der beiden mit Kette und Schlüssel aus Gold verbunden.
Rumorum folgt dem kryptisch-allegorischen Weg dieser Traumvision und durchforscht dabei einen typischen Querschnitt spätmittelalterlicher, weltlicher Musik der britischen Inseln aus einer Zeit, in der Mittelenglisch begann, als Sprache von künstlerischem Anspruch mit dem Französischen gleichzuziehen. In einer Mischung aus französischen und englischen Liedern, virtuosen Diminutionen und rezitierter Dichtung wandelt das Programm in vier Teilen durch die Traumvision. Rumorum nimmt das Publikum aus Sicht des Träumenden auf einen Besuch im Temple of Glas mit und trifft dort auf die wunderschöne Prinzessin (Princes), den liebestrunkenen Ritter (Knight) und wohnt schliesslich der freudvollen Feier bei, in der der Knoten geknüpft wird (the Cnott is Knytt).
Me did oppresse a sodein dedeli slepe,
Within the which me thoughte that I was
Ravysshid in spirit in a temple of glas...
Ein plötzlicher, todgleicher Schlaf überkam mich,
in dem ich meinte, ich wäre
im Geiste in einen gläsernen Tempel entrückt …
Grace Newcombe / Übersetzung: Marc Lewon