Ein Streichquartettabend – wie vorhersehbar! – aber nicht mit dem Quatuor Mosaïques! Es präsentiert zwei Werke aus Joseph Haydns berühmtesten Quartettzyklen in Kombination mit zwei nahezu unbekannten Kompositionen. Auch Haydns Werke sind nichts weniger als alltägliche Kost, wenn man sie aus ihrer Funktion als „Aufwärmstücke“ befreit. In seinen Opera 20 (komponiert ca. 1772) und 33 (veröffentlicht 1781) hatte er die Gleichberechtigung aller vier Stimmen im musikalischen Satz erreicht und damit die Möglichkeiten der Gestaltung um ein Vielfaches gesteigert. Die vier Instrumente sind Teilnehmer an einem „Gespräch“, das geprägt ist von Argumenten, Gegenargumenten, Emotion, Witz und Überraschung. Vor allem die äusserst gewagten Quartette aus op. 20 – man könnte sie als einen österreichischen Beitrag zum „Sturm und Drang“ bezeichnen – sind in der Geschichtsschreibung bekannter als in den Konzertsälen, da sie nur mit dem rhetorischen Verständnis der älteren Musik angemessen darzustellen sind. Erwarten Sie also die Begegnung mit bekannten Unbekannten!
Tatsächlich eine Neuausgrabung ist das h-Moll Quartett des grossen französischen Geigers und Pädagogen Pierre Baillot aus der Zeit um 1815. Es ist ein Beispiel für das „Quatuor concertant“, eine Spielart des Streichquartetts, bei der die erste Violine eine solistische Rolle einnimmt. Mit Luigi Boccherini wird am Schluss des Programms einem anderen grossen Exponenten aus der Frühzeit des Streichquartetts gehuldigt. Im Quintett von 1787 tritt zu den vier Stimmen ein Kontrabass, der den Divertimento-Charakter des ganzen Werkes unterstreicht.
Nach einer längeren Pause ist das Quatuor Mosaïques wieder bei den FAMB zu Gast, noch immer eine der interessantesten Streichquartettgruppierungen auf historischen Instrumenten, die nicht nur die Werke des klassischen Kanons auf erfrischende Weise neu aushört, sondern ebenso regelmässig mit spannenden Neuentdeckungen überrascht.
Thomas Drescher