Eine umfassende Geschichte der englischen Kantate im 18. Jahrhundert bleibt noch zu schreiben, aber eine faszinierendere und lohnendere Studie ist kaum denkbar. Mit Sicherheit würden sich dabei die Kantaten von William Hayes aus dem Jahr 1748 als ein wichtiger Kristallisationspunkt herausstellen.
In den 1740er Jahren war Oxford ein dynamischer Umschlagplatz für musikalische Aktivitäten – Hayes als Hauptakteur mittendrin. Seine Bemühungen um den Bau des „Holywell Music Room” – des ersten Gebäudes, das öffentlichen Aufführungen von Kammermusik dienen sollte – trug in diesem Jahrzehnt Früchte, und es ist nahezu sicher, dass seine Kantaten mit Blick auf die spezielle Akustik dieses Raums komponiert und darin auch erstmals aufgeführt wurden.
Jede der Kantaten ist individuell gestaltet, mit Rücksicht auf den gewählten Text. Ein unterhaltsamer Bericht über das englische Landleben bestimmt die Nr. 1 – Ross-on-Wye gilt als die früheste Destination für „Touristen” –, und diese einfache Kantate beschreibt die Schönheiten, Besonderheiten und Vergnügen des Ortes. Why, Lysdias, should Man be vain (Nr. 2) ist ein glänzendes Stück Moralphilosophie, zu dem der Verfasser des Textes (Matthew Pilkington) durch das Vorbild des altgriechischen Dichters Anacreon inspiriert wurde: ohne Ansehen der Stellung (König oder Bettelmann) enden alle im Staub der Erde. Die nächsten drei Kantaten erläutern verschiedene Freuden, die von weiblicher Energie und Schönheit herrühren, akzentuiert mit sanfter Erotik, mit Freude, oder der Fähigkeit zu singen. Die letzte Kantate, weitaus die längste und mit einer aufwendigeren Instrumentierung, ruft nach „Echo” (die Nymphe und das akustische Phänomen) und gefällt sich in der Schilderung von Naturschönheiten.
Die abschliessende Ode widmet sich einmal mehr der tragischen Geschichte von Orpheus und Eurydike und beweist bis zum bewegenden Schlusschor With streaming tears, dass die Mythologie uns bis heute zu bewegen vermag.
Anthony Rooley