Johann Sebastian Bach und seine Söhne waren die norddeutschen Tastenvirtuosen ihrer Zeit. Ihre Werke haben das clavieristische Repertoire geprägt – diese Einordnung in den klassischen Kanon überdeckt jedoch die zeitlose Modernität dieser Musik. Dabei weist das Schaffen von Johann Sebastian, Carl Philipp Emanuel und Wilhelm Friedemann Bach reizvolle Querbezüge, versteckte Distanzierungen und überraschende Wahlverwandtschaften auf, die die bequeme Vorstellung einer linearen Entwicklung und das eingebürgerte Tableau fester Formschemata lustvoll auf den Kopf stellen.
Das „Wohltemperirte Clavier“ galt stets nicht nur als Schule des poetischen und ergonomischen Spiels. Es belegt auch den stilistischen Weitblick Bachs – vom flüssigen „Organistenzwirn“ und der alten Vokalpolyphonie (BWV 878) bis zur chromatischen Durchformung und sprechenden Intervall-Struktur (BWV 889). Welchen Rang die gedruckte „Clavir Übung“ in der Lebensbilanz Bachs einnahm, wird an der Hervorhebung dieses Opus I im „Musicalischen Lexicon“ seines Freundes Walter deutlich. Die D-Dur-Partita darf dabei mit ihrer spielfreudigen Ouvertüre und ihren versonnen schwebenden bis energisch zupackenden Tanzsätzen als exemplarische Visitenkarte gelten.
Friedemanns Polonaisen gewinnen dieser Modegattung des 18. Jahrhunderts echte Charakterstücke ab, womit sie – väterlicher Tradition folgend – bestehende Vorlagen radikal neu deuten. Das Spektrum reicht von der gestischen Brillanz (D-Dur) bis zur gezügelten Glut (d-Moll); das gelöst seinem eigenen Nachklang lauschende F-Dur-Stück wird vom grüblerischen Monologisieren der f-Moll-Polonaise abgelöst, die der Herausgeber Griepenkerl 1819 als „vielleicht schönste von allen“ bezeichnete.
Mit über 150 Beiträgen ist das „Originalgenie“ Carl Philipp Ema-nuel Bach ein Grossmeister der Sonate, die unter seinen Händen ihre mehrsätzige Ausformung erhielt. Carl Eugen von Württemberg gewidmet, präsentieren sich die Sonaten Wq 49 als affektmäßige tour de force, deren leidenschaftlicher Tonfall und schroffe Kontraste eine virtuose wie kantable Spielart fordern. Die Sonate g-Moll erweist sich mit ihren Unisono-Passagen und empfindsamen Abschnitten als Brückenschlag von der „Chromatischen Fantasie” des Vaters hin zu jener „Freyen Fantasie“, für die Philipp Emanuel und Wilhelm Friedemann Bach so berühmt waren.
Anselm Hartinger